(Oldenburger International 04/2014)
Der Frühling kommt, d.h. auch die Weidesaison kann nicht mehr lange auf sich warten lassen. Was ist alles zu beachten, wenn Pferde auf der Weide sind?
Voraussetzungen eines sorgfaltsgemäßen Zaunes
Es mag den einen oder anderen erstaunen, aber noch immer beschäftigen sich Gerichte mit der Frage, ob Stacheldrahtzäune für Pferdeweiden eine tierschutzgemäße Einzäunungsart ist. Noch im Jahr 2013 hatte sich hiermit das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu beschäftigen. Hintergrund des Rechtsstreites war eine Pferdehalterin, die ca. 20 Pferde neben Rindern und Schafen hielt. Nach einer Anzeige erfolgte eine Kontrolle durch die Amtstierärztin. Diese stellte fest, dass sich auf der Weide mehrere Pferde, vornehmlich Stuten und Fohlen befanden und die Weide mit einem Knotengitterzaun und drei darüber gespannten Reihen Stacheldraht eingezäunt war. Die Amtstierärztin kündigte schriftlich an, eine tierschutzrechtliche Maßnahme vorzunehmen, da für die Tiere eine erhebliche Verletzungsgefahr bestand. Eine Absicherung des Stacheldrahtes nach innen hin bestand nämlich nicht. Die Pferdehalterin weigerte sich die Einzäunung zu verändern, obgleich sie die Auflage erhalten hatte, eine gut sichtbare nicht verletzungsträchtige Absperrung nach innen hin mit einem Abstand von mindestens 50 cm zum Stacheldrahtzaun zu errichten. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ein Zwangsgeld angedroht. Es kam zur gerichtlichen Auseinandersetzungen, nachdem der Zaun nach einer weiteren Kontrolle von der Pferdehalterin nicht verändert worden war. Die Pferdehalterin erhielt ein Zwangsgeld und die Auflage, die Pferde nicht mehr auf die Weide zu stellen, zumindest nicht ohne einen weiteren Zaun.
Das Oberverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil maßgeblich an den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz herausgegebenen „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten” vom 9. Juni 2009 (BMELV-Leitlinien) sowie den „Empfehlungen zur Freilandhaltung von Pferden” des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bezirksregierung Weser-Ems und des Tierschutzdienstes Niedersachsen vom März 1999 orientiert. Nach Ziffer 3.1.2. der BMELV-Leitlinien muss die Einzäunung so beschaffen sein, dass größtmögliche Sicherheit für Mensch und Tier gewährleistet ist. Dabei sind die arttypischen Verhaltensweisen des Pferdes als Fluchttier und die Besonderheiten seines Gesichtsfeldes zu berücksichtigen. Die Einzäunung danach muss gut sichtbar, stabil und möglichst ausbruchsicher sein. Defekte oder unzureichende Einzäunungen, freiliegende Spiralen bei Torgriffen und Torfedern sowie die Verwendung von Stacheldraht und anderen Metalldrähten, ausgenommen gut sichtbare Elektrodrähte, sind tierschutzrelevant. Als alleinige Einzäunung ist Stacheldraht oder Knotengitter bei Pferden tierschutzwidrig. Nach Ziffer 12 der „Empfehlungen zur Freilandhaltung von Pferden” sind Glattdraht, Stacheldraht- und Knotengitterzäune als alleinige Begrenzungen für Pferdeweiden äußerst verletzungsträchtig und daher tierschutzwidrig. Die Nutzung solchermaßen eingezäunter Weiden kann danach nur toleriert werden, wenn sie in genügend großem Abstand durch einen weiteren, gut sichtbaren Innenzaun so gesichert sind, dass ein direkter Kontakt zwischen Pferden und Stachel- oder Glattdraht bzw. Knotengitter verhindert wird. Angesichts dieser eindeutigen Aussagen in den BMELV-Leitlinien und den „Empfehlungen zur Freilandhaltung von Pferden”, dass eine alleinige Stacheldrahteinzäunung bei Pferden tierschutzwidrig ist, bestätigte das Oberverwaltungsgericht die Amtsveterinärin.
Den Pferdehalter trifft aber nicht nur die Verpflichtung, den Zaun so zu gestalten, dass sich die Tiere daran nicht verletzen können, die Rechtsprechung fordert hier auch eine regelmäßige Kontrolle. Die Rechtsprechung fordert hier eine enge Überwachung des gesamten Zaunes durch regelmäßige Kontrollgänge. So muss sowohl kontrolliert werden, ob der Zaun intakt ist, als auch, ob die Stromführung funktioniert. In den Sommermonaten muss beispielsweise Gras, das an den Stromzaun wächst, entfernt werden. Je nach Lage der Pferdeweide können besonders hohe Verkehrssicherungspflichten den Tierhalter treffen.
Da Dritte grundsätzlich davor geschützt werden müssen, dass Tier ausbrechen und auf die Fahrbahn laufen, sind die Verkehrssicherungspflichten in der Nähe von Autobahnen, Schnellstraßen und viel befahrenen Straßen besonders hoch. Der Bundesgerichtshof musste einen sehr tragischen Fall bewerten. In einer Entfernung von etwa 200 m von der Autobahn waren zwei Pferde in einem hölzernen Stall untergebracht, der innerhalb einer eingezäunten Koppel errichtet worden war. In etwa 50 m Entfernung von dem Stall standen zwei größere Häuser, das Gelände zur Autobahn hin fiel leicht ab. Die Tür des Stalles, in welchem die Pferde untergebracht waren, war mit einem Vorhängeschloss verschließbar, dessen Schlüssel in einem der beiden neben der Stalltür an der Außenwand genagelten Holzschuhe aufbewahrt wurde. Die Koppel war durch ein Gatter eingezäunt und durch ein hölzernes Tor zu betreten, welches mit einem durch ein Vorhängeschloss gesicherten Riegel verschlossen wurde. Dieser Riegel war zum Zeitpunkt des Unfalles mit einem abgeschlossenen Vorhängeschloss gesichert. Dieser reichte aber nicht bis in die dafür vorgesehene eiserne Schlaufe, so dass das Gattertor trotz des abgeschlossenen Vorhängeschlosses geöffnet werden konnte. In der Nacht entkam eines der Pferde und lief auf die Autobahn. Dort kollidierte es mit einem Autofahrer auf der linken Fahrbahnseite, Autofahrer und Pferd kamen bei dem Unfall zu Tode. Wie das Pferd aus dem Stall entkommen war, konnte nicht geklärt werden.
Der Bundesgerichtshof musste sich nun mit der Frage beschäftigen, ob die Halter der beiden Pferde, die beide entkommen waren, wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht den Erben des Verstorbenen zum Schadensersatz verpflichtet waren. Im Rahmen dieser Frage führte der Bundesgerichtshof auch umfangreich aus, welche Verkehrssicherungspflichtigen Pferdehalter treffen. Der BGH sah für die Sicherung von Weidetoren ein Schloss für erforderlich an, wenn die naheliegende Gefahr besteht, dass unbefugte Dritte das Tor öffnen und nicht wieder ordnungsgemäß verschließen, so dass die Tiere auf eine nahe gelegene Straße laufen und dort den Verkehr gefährden können.
Das Gericht führte aus, dass zur Sicherung der unbeaufsichtigten Tiere auf der Weide im freien Gelände wegen der besonders hohen Gefahr schwerer Unfälle hohe Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt in besonderem Maße für Tiere, die sich in der Nachtzeit auf der Weide im freien Gelände befinden. Besonders nachts sind Tiere nämlich empfindlich für Geräusche und Lichtsignale, die zu Reaktionen in Form von Panik und Schreckzuständen führen können. Das Gericht führte aus, dass auch besonders hohe Anforderungen an die Sicherung eines Stalles, in dem sich Pferde in einer Entfernung von nur 200 m von einer viel befahrenen Autobahn befinden, zu stellen sind. Neben einer Sicherung des Weidetores durch ein Schloss wurde gefordert, dass auch der Stall verschlossen wird. Der Bundesgerichtshof führte aus, dass der Halter Sorge dafür zu tragen hat, dass der Schlüssel für das Schloss mit dem der Stall abgeschlossen wurde, nicht an einem an der Außenwand des Stalles angebrachten Holzschuh aufbewahrt wird, da es für Unbefugte recht naheliegend sei, dass in einem der aufgebrachten Holzschuhe der Schlüssel zu finden ist. In der Aufbewahrung des Schlüssels in einem der aufgenagelten Holzschuhe sah der Bundesgerichtshof die Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Im Ergebnis mussten die Pferdehalter als Gesamtschuldner für den eingetretenen Schaden haften – obgleich der Stall sogar abgeschlossen war und nicht geklärt werden konnte, wie die Pferde auf die Autobahn gelangt waren. Es empfiehlt sich also Weidetore mit einem Schloss zu sichern und den Schlüssel getrennt aufzubewahren. Bei stark befahrenen Straßen in der Nähe muss sogar der Stall nachts verschlossen werden, damit Unbefugte die Tiere nicht nachts aus dem Stall herauslassen können, so dass sie auf die Fahrbahn geraten.
Sorgfaltspflichten der Nachbarn
Immer wieder kommen aber auch Pferde auf der Weide durch das Verhalten Dritter zu Schaden. Besonders beliebt ist das Legen von Giftpflanzen an die Grenze einer Weide oder das Verfüttern von giftigen Gartenabfällen an Pferde, da häufig Unwissenheit über die Gefährlichkeit besteht. Immer wieder kommt es dazu, dass Gartenabfälle wie Rasenmaat oder Eibe an oder auf die Pferdeweide gelegt werden und die Tiere elendig zugrunde gehen.
Die Rechtsprechung hat hier schon mehrfach entschieden, dass auch Dritte Verkehrssicherungspflichtigen zu treffen haben, dass die Tiere nicht an die Gartenabfälle gelangen können. Als sorgfaltswidrig ist es auch zu qualifizieren, ohne Rücksprache mit dem Pferdehalter Gartenabfälle auf der Pferdeweide abzulegen. Kommt es hierdurch nachweislich zu einer Erkrankung oder gar einem Versterben des Tieres, so haftet der Verursacher. Die Gartenabfälle sind so weit von der Weide abzulegen, dass die Tiere nicht in Kontakt gelangen können, auch dürfen sie nicht verleitet werden gegen den Zaun zu drücken, um an das vermeintlich leckere Fressen zu gelangen. Hier ist im Einzelfall zu entscheiden, ob die Verkehrssicherungspflicht eingehalten ist oder nicht. Besondere Sorgfalt ist auf das Spritzen von Giftmitteln in oder an der Pferdeweide zu legen sowie natürlich das Ablegen von Gartenabfällen jeder Art in der Nähe von Weiden.
Kommt es zum Schadenfall, d.h. einer Erkrankung oder einem Versterben des Pferdes ist es für den Pferdehalter wichtig Beweise zu sammeln. Denn in der Praxis ist es immer schwierig den Nachweis zu führen, dass die Gartenabfälle die Erkrankung oder gar den Tod ausgelöst haben. Bei einem Versterben ist daher immer eine Obduktion des Pferdes durchzuführen, sonst kann es vor Gericht schwierig werden, wenn der Verursacher bestreitet, dass die Erkrankung oder der Tod kausal auf dem Ablegen der Gartenabfälle beruht.
Unter Berücksichtigung der sehr strengen Rechtsprechung sollte man sich reiflich überlegen, ob man Pferde über Nacht auf der Weide lässt – gerade wenn sich viel befahrene Straßen in der Gegend befinden. Auch bei einer guten Sicherung haftet der Pferdehalter für unbefugte Dritte, die sich nachts Zugang zu Weiden und Ställen verschaffen, um die Pferde auf die Straße zu jagen.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht