(Pferdesport Bremen 04/2013)
Bei der Thematik “Stallbau” denkt man zunächst an die Frage, ob und in welchem Umfange im Außenbereich Pferdeställe überhaupt gebaut werden dürfen. Da dies eine sehr trockene Materie ist, die zudem in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden kann, wollen wir uns mehr mit der Materie beschäftigen, welche haftungsrelevanten Probleme beim Bau eines Stalles auftreten können, indem sich die Pferde durch die Art und Weise, wie der Stall konkret geschaffen wurde, auftreten. Pferde haben ein nicht unerhebliches Talent, sich im Stall selber zu verletzen, teilweise sogar tödlich.
Kommt es zu einer Verletzung des Pferdes, kann der Eigentümer seine Schadensersatzansprüche gegenüber seinem Vertragspartner geltend machen, dies ist in der Regel der Stallbetreiber. Zunächst ist aber zu schauen, welche im Stall erworbenen Verletzungen die Gerichte beschäftigen.
1) Verletzungsquellen im Stall
Das Landgericht Verden hat derzeit zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Stallbetreiber ein Pferd zu ersetzen hat, welches zwischen der Mistbohle und der Trennwand beim Wälzen mit einer Hintergliedmaße durchgetreten hat. Das Pferd hat sich schwerste Verletzungen zugezogen, Sehnen und Bänder etc. waren vollständig abgerissen. Das Pferd wurde über mehrere Wochen in einer Tierklinik intensivmedizinisch betreut und musste im Ergebnis euthanasiert werden. Die Eigentümerin des Pferdes hat daraufhin den Stallbetreiber in Anspruch genommen. Sie verlangt den Ersatz von Tierarztkosten sowie den Wertansatz in Form des Verlustes des Pferdes. Bei dem Stall handelt es sich um einen beim Fachhändler erworbenen Stall, der auch heute noch so hergestellt wird. Die Mitteltrennwand kann nach vorne herausgezogen werden, darunter befindet sich eine sogenannte Mistbohle. Wenn die Mittelwand herausgezogen ist, kann die Mistbohle nach oben hin aus der Schiene gezogen werden. Danach ist die Entmistung des Stalles mittels eines Treckers möglich. Zwischen den Parteien war in diesem Rechtsstreit streitig, ob die Mistbohle an einem Materialfehler litt und sich so verzogen hatte, dass sie nicht mehr an die Trennwand direkt anschloss. Zwischen den Parteien war auch streitig, welcher Zwischenraum zwischen der Mistbohle und der Trennwand bestand, durch den das Pferd hindurch getreten hatte.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung empfiehlt, dass keine größeren Zwischenräume als maximal 5 cm im Stall vorliegen dürfen, weil sonst die Gefahr besteht, dass Pferde mit ihren Gliedmaßen in diese Spalten rutschen können. In dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Verden wurde ein Gutachten durch eine öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Pferdezucht und –haltung eingeholt. Bei der Ortsbesichtigung fiel auf, dass die Mistbohle im vorderen Bereich, damit man mit der Hand besser zugreifen kann, über eine Fläche von ca. 30 cm eingekerbt war. Hier war der Abstand über 5 cm zur darüber befindlichen Trennwand. Da das Pferd der Einstellerin unstreitig mit dem Hinterbein zwischen die Mistbohle und die Trennwand gelangt und dort eingeklemmt war, ging die Sachverständige davon aus, dass das Pferd über diesen Spalt zwischen Trennwand und Mistbohle gelangt war. Sie qualifizierte diese Art des Stallbaus als nicht sorgfaltsgemäß, auch wenn die Herstellerfirma bis heute unverändert die Stallelemente so vertreibt. Die Parteien streiten heute nur noch um den Wert des Pferdes.
Auch das Amtsgericht Leer muss sich derzeit mit der Frage beschäftigen, welche Abstände zwischen einzelnen Elementen im Pferdestall als sorgfaltsgemäß zu bezeichnen sind. Der zu Grunde liegende Fall war sehr tragisch. Der Kläger erwarb eine Stute, welche er bei dem Beklagten einstellte. Nur wenige Stunden, nachdem das Pferd eingestellt worden war, wurde es tot aufgefunden. Zwischen der obersten Kante der Boxentrennwand und der Decke des Stalles war ein Spalt von ca. 30 cm. Die Stute hatte ihren Kopf vermutlich seitlich gedreht, um ihn durch diesen Spalt zu schieben, was im Hinblick auf die Größe auch gelang. Dann bekam das Tier offensichtlich Panik und wollte den Kopf wieder aus dem Spalt ziehen, dabei klemmte der Kopf fest und die Stute erwürgte sich selber. Aufgefunden wurde sie mit dem Kopf noch in dem Spalt steckend. Der Eigentümer der Stute hatte außergerichtlich ein Sachverständigengutachten eingeholt. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass der Spalt mit 30 cm für einen Pferdestall nicht geeignet sei, da die Pferde eben den Kopf hindurch stecken können. Zwischen der Boxertrennwand und der Decke darf entweder überhaupt kein Spalt sein oder aber der Spalt muss so groß sein, dass das Pferd ohne Probleme den Kopf darüber bewegen kann und genügend Raum hat, ohne stecken zu bleiben, wieder zurück zu gelangen. Das Amtsgericht hat zur Beantwortung dieser Frage selber ein Gutachten eingeholt.
Es kommt leider auch immer wieder vor, dass sich gerade Fohlen und jüngere Pferd, die in der Box ein Halfter tragen, an Vorsprüngen festhaken und erhängen. Die Box muss so beschaffen sein, dass dies nicht geschieht. Grundsätzlich sollte man auch kein Halfter auflassen, da es hier immer wieder zu schweren Verletzungen kommt, so beispielsweise, wenn das Pferd sich hinter dem Ohr kratzt und mit dem Huf im Halfter hängen bleibt.
Als Verletzungsquelle kommt auch immer wieder die Pferdetränke vor. Immer wieder passiert es, dass Pferde entweder mit dem Halfter daran hängen bleiben, oder aber, dass die Pferde in der Box austreten und dabei mit der Getränke in Kontakt kommen. Teils führt dies zu schweren Schnittverletzungen. Ob die Tränke sorgfaltsgemäß vom Stallbetreiber angebaut worden ist oder nicht, muss dann im Streitfall ein Sachverständiger klären.
2) Unfälle mit der Mistgabel
Die Gerichte werden immer wieder auch mit folgender Konstellation konfrontiert: Der Pferdehalter holt sein Pferd aus der Box und stellt fest, dass es lahm ist. Bei der Suche nach der Ursache der Lahmheit, stellt sich dann heraus, dass an einem Bein runde Verletzungen sind, meist liegt schon eine Entzündung vor. Einen derartigen Sachverhalt hatte auch das Landgericht Verden vor einiger Zeit zu entscheiden. Das Pferd kam lahm aus der Box, es war ein Fremdkörper in das Bein eingedrungen, der zu einer Gelenksinfektion führte. In der Folge musste das Pferd euthanasiert werden. Die am Bein vorgefundenen Verletzungen stammten nach Auffassung des behandelnden Tierarztes von einer Mistforke. Der genaue Schadenhergang war streitig. Der Stallbetreiber behauptete, dass weder ihm noch seinen Angestellten ein Missgeschick geschehen sei, infolgedessen die Mistforke in das Bein des Pferdes gelangt sei. Das Landgericht ging jedoch davon aus, dass hier ein Anscheinsbeweis vorlag. Danach wird vermutet, dass ein bestimmter Sachverhalt so stattgefunden hat, wenn mehrere Indizien dafür sprechen und ein anderer Geschehenshergang wenig wahrscheinlich ist. Dies hatte zur Folge, dass der Stallbetreiber die Kosten für die tierärztliche Heilbehandlung sowie den Wert des Pferdes zum Schadenszeitpunkt an die Pferdeeigentümerin erstatten mussten.
Ähnlich gelagerte Schäden beschäftigen immer wieder die Gerichte, weil viele Reitstallbetreiber aus Zeitmangel Stroh in die Box einbringen, indem sie es mit der Mistgabel verteilen, ohne das Pferd vorher aus der Box zu nehmen. Um derartige Unfälle zu vermeiden, sollte sich das Pferd nicht in der Box befinden, wenn das Stroh oder anderes Raufutter verteilt wird.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht