(Quarter Horse Journal 04/2017)
Seit Ende 2016 gibt es wieder Neuerungen im Bereich des Pferdekaufrechtes. Hintergrund ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Autokauf. Der Europäische Gerichtshof hatte hier über einen Verbrauchsgüterkauf zu entscheiden. Ein gebrauchter PKW war drei Monate nach Übergabe ausgebrannt, die Ursache konnte nicht geklärt werden. Die Käuferin des PKW machte nun Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer geltend. In diesem Urteil musste nun geklärt werden, wie weit die zeitliche Vermutungsregelung gilt, wonach vermutet wird, dass ein Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten zeigt zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat. Der Unternehmer muss in diesem Fall das Gegenteil beweisen. Der Europäische Gerichtshof entschied hier zu Gunsten des Verbrauchers und kam zu dem Ergebnis, dass der Unternehmer beweisen muss, dass die Ursache für das Ausbrennen nicht schon bei Übergabe vorhanden war. Diese Rechtsprechung ist Ende 2016 vom Bundesgerichtshof (ebenfalls zum Autokauf) aufgenommen worden. Der Bundesgerichtshof sieht die Haftung des unternehmerisch tätigen Verkäufers jetzt noch weiter, als er es ohnehin schon getan hat. Danach ist es ausreichend, wenn sich innerhalb von sechs Monaten Symptome zeigen, die, hätten sie bei Übergabe vorgelegen, einen Mangel begründen würden. Der konkrete Mangel muss vom Käufer so gar nicht gerügt werden, das Nennen der Symptome ist ausreichend.
Praktisch stellen sich jetzt einige Fragen, nämlich ob damit auch eine Erweiterung der Haftung des Unternehmers für bestimmte Mängel, die bisher von der Beweislastumkehr ausgenommen wurden, verbunden ist. Es gab nämlich eine Vielzahl an Mängeln, die sich nach der Rechtsprechung nicht für die Beweislastumkehr eignen, da sie nach ihrer Art für die Beweislastumkehr ausgeschlossen sind. Ein ganz typischer Mangel waren Verhaltensauffälligkeiten und Rittigkeitsprobleme des Pferdes. Die Rechtsprechung hatte hier entschieden, dass weder Verhaltensauffälligkeiten wie Koppen und Weben, Boxenlaufen etc. für die Beweislastumkehrregelung geeignet sind, noch Rittigkeitsprobleme, da diese von vielen weiteren Umweltfaktoren abhängen können und von heute auf morgen beim Pferd auftauchen können. Es fragt sich nun, ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofes hierauf Auswirkungen haben wird.
Der Gesetzgeber hat klar in seinen Motiven vermerkt, dass es Mängel gibt, die sich generell für die Beweislastumkehrregelung nicht eignen. Hier hat der deutsche Gesetzgeber speziell Tiererkrankungen genannt, da häufig die Inkubationszeit kürzer ist als die Frist, binnen derer sich der Mangel zeigen kann, nämlich kürzer sind als die sechs Monate. Der Gesetzgeber hat das Problem, dass Tiere möglicherweise anders zu behandeln sind als statische Gegenstände wie Waschmaschinen, Autos etc., also ausdrücklich gesehen. Da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und jetzt auch des Bundesgerichtshofes zu einer erheblichen Verschärfung der Haftung des Unternehmers führt, ist aus meiner Sicht eher davon auszugehen, dass die Gerichte die Frage, ob sich ein Mangel überhaupt für die zeitliche Vermutungsregelung eignet oder nicht, enger beurteilen wird, d.h. eher zu dem Ergebnis kommen wird, dass sich ein Mangel nach seiner Art für die zeitliche Vermutungsregelung nicht eignet. Anderenfalls würde man die Haftung des Unternehmers noch weiter im Sinne einer Garantiehaftung für jedwedes Verhalten des Pferdes ausweiten. Dies steht aber gerade nicht im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, der dieses Problem bei Schaffung der Normen, die auf der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie fußen, eindeutig gesehen und behandelt hat. Auch der Menschenverstand sagt einem, dass man ein Lebewesen, das in ständiger Interaktion mit seiner Umwelt steht, nicht wie ein Auto behandeln kann, welches von Umwelteinflüssen in wesentlich geringerem Maße abhängig ist. Dies gilt gerade im Hinblick auf Verhaltensweisen, die – wie jeder Reiter weiß – schnell beeinflusst werden können. Schließlich beruht darauf das gesamte Ausbildungssystem für Pferde. Durch positives Verhalten soll hier das Verhalten des Pferdes entsprechend verändert werden, Lektionen sollen gelernt werden und gefestigt werden. Umgekehrt stellt sich aber auch durch negative Erlebnisse schnell ein unerwünschtes Verhalten des Tieres ein, was so bei Maschinen etc. nicht möglich ist. Dementsprechend gebietet die rechtliche Behandlung eines Lebewesens eine andere Beurteilung als die einer statischen Maschine. Ich gehe daher davon aus, dass die Rechtsprechung zukünftig eher dazu tendieren wird, Mängel nach ihrer Art nicht der Beweislastumkehrregelung zuzuführen, als dass die Regelung weitergesehen wird. Andernfalls käme man nämlich zu dem äußerst unglücklichen und auch vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis, dass der unternehmerisch tätige Verkäufer für nahezu alles einzustehen hat, was sich innerhalb von sechs Monaten ab dem Kauf beim Pferd zeigt, egal ob unerwünschte Verhaltensweise, Krankheit oder sonstige Auffälligkeit. Dies kommt praktisch einer Garantiehaftung gleich, die vom Gesetzgeber so aber nicht gewollt ist. Insofern ist nach meiner Einschätzung auch weiterhin davon auszugehen, dass Verhaltensauffälligkeiten, Unrittigkeit etc. der Beweislastumkehrregelung nicht zugänglich sind und der Verbraucher auch weiterhin beim Auftreten innerhalb von sechs Monaten ab Übergabe die volle Beweislast dafür trägt, dass diese Verhaltensweise bereits zum Zeitpunkt der Übergabe angelegt war. Dies kann durchaus gelingen, indem beispielsweise der Nachweis geführt wird, dass das Pferd schon vor Übergabe bestimmte Verhaltensauffälligkeiten wie Steigen, Verweigern etc. gezeigt hat.
Problematisch wird auch, ob Röntgenbefunde, die innerhalb von sechs Monaten ab Übergabe festgestellt werden, retrospektiv auf den Übergabezeitpunkt nach der Beweislastumkehrregelung zu bewerten sind, oder nicht. Es gibt nämlich in Deutschland einen Konsens der führenden Fachtierärzte für Pferde wonach Röntgenbefunde generell seriös nicht länger als vier Monate rückdatiert werden können. Dies spricht wiederum gegen die Anwendung der Beweislastumkehrregelung auf Röntgenbefunde, die beispielsweise fünf Monate nach Übergabe erstmalig festgestellt werden. Da es hierzu leider bisher kaum Rechtsprechung gibt, kann man eine Tendenz leider noch nicht ausmachen. Es spricht alles dafür, dass sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage beschäftigen werden muss.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht