(Oldenburger International 04/2016)
Die Turniersaison und auch die Decksaison beginnt. Damit werden jetzt auch wieder vermehrt Pferde verladen und auf öffentlichen Straßen gefahren. Im Umgang mit Pferd und Gespann sind besondere Sorgfaltspflichten zu beachten. Trotzdem kommt es leider immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, mit denen sich die Gerichte nach vorhergehenden Unfällen befassen müssen.
Gefahren des Parkens mit dem Gespann am Wegesrand
Aufgrund des notwendigen Raumes ist das Parken mit PKW und Pferdeanhänger nicht immer leicht. Dies musste auch ein Pferdehalter feststellen, der einmal austreten musste. Er hielt deshalb am Rand einer Bundesstraße parallel zur Fahrtrichtung, wobei das Gespann zur Hälfte auf der Fahrbahn stand. Ein PKW-Fahrer, der offensichtlich das parkende Gespann nicht gesehen hatte, fuhr auf den Pferdeanhänger auf, sodass dieser nach rechts umstürzte. Der zwischen PKW und Anhänger stehende Fahrer des Gespanns wurde so erfasst und schwer verletzt. Nach drei Wochen im Koma verstarb er. Die Erben haben daraufhin den Tatfahrer in Anspruch genommen, so begehrten sie u.a. Nutzungsausfall für den PKW und den Pferdeanhänger, die beide bei dem Verkehrsunfall einen Totalschaden erlitten haben. Des Weiteren wurde natürlich ein angemessenes Schmerzensgeld geltend gemacht. Das Gericht entschied, dass ein Nutzungsausfall für PKW und Anhänger nicht zu zahlen sei, da der Vortrag allein nicht reichte, dass auch die übrige Familie PKW und Anhänger mit benutzt hätten. Das Gericht ging davon aus, dass eine Nutzungsentschädigung nur dann zu zahlen sei, weil eine spürbare Gebrauchsbeeinträchtigung nicht nachgewiesen worden sei. Dafür wäre es beispielsweise erforderlich gewesen, dass der Nutzungswille dadurch dokumentiert wird, dass ein Neufahrzeug/Gebrauchtwagen und auch ein gebrauchter/neuer Hänger angeschafft worden wäre. Dies war aber unstreitig nicht der Fall. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes für den nicht mehr aus dem Koma erwachten Fahrer des Gefährtes stellte das Gericht darauf ab, wie schwer die erlittenen Verletzungen waren. Unberücksichtigt blieb dabei, dass der Fahrer des Gefährtes nicht mehr aus dem Koma erwacht war. Es wurde ein Schmerzensgeld von 7500 € zuerkannt.
Gefahrenquelle Reitturnier
Wenn ein Pferd unterwegs ist, geht es oft zum Turnier. Dort kann es jedoch auch zu Unfällen und schweren Verletzungen des Pferdes kommen. So musste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage beschäftigen, wie der Veranstalter eines Reitturniers haftet, wenn ein Pferd in einem Springen an einem nicht sorgfaltsgemäß errichteten Hindernis so schwer zu Schaden kommt, dass es im Ergebnis euthanasiert werden muss. Das Turnier war durch einen eingetragenen Verein für den Pferde- und Reitsport veranstaltet worden. In der Ausschreibung hieß es, dass der Veranstalter jede Haftung für Schäden ausschließt, die den Besuchern, Teilnehmern und Pferdebesitzern durch leichte Fahrlässigkeit des Veranstalters, seinen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen entstehen kann. Das zu Tode gekommene Pferd war in einem Springen gestartet. Der Fangständer vor einem Sprung war einige Zentimeter niedriger als die Stange des Hindernisses selbst, zudem war der Fangständer in sich fest verschraubt. Das Pferd versuchte im letzten Augenblick, den Fangständer zu überspringen, kollidierte mit diesem und verletzte sich so schwer am Knie, dass es eingeschläfert werden musste. Der Eigentümer des Pferdes nahm daraufhin den veranstaltenden Verein auf Schadenersatz in Anspruch. Der Bundesgerichtshof führte in seinem Urteil aus, dass den veranstaltenden Verein erhebliche Rücksichtnahmepflichten treffen, die er im vorliegenden Fall nicht hinreichend ausgeübt hatte. Der Erbauer des Parcours, der insoweit für den Verein als Erfüllungsgehilfe tätig geworden war, hatte nach Ansicht des Sachverständigen eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen, denn den Verein traf die Pflicht zur Bereitstellung gefahrloser und funktionsfähiger Geräte innerhalb des Parcours. Der zugrunde liegende Haftungsausschluss war nach Auffassung des Bundesgerichtshofes unwirksam. Der BGH entschied, dass auch die in der Ausschreibung vorgenommene Haftungsbeschränkung nach den Regeln für allgemeine Geschäftsbedingungen zu prüfen ist. Dieser Prüfung hielten die Regelungen in der Ausschreibung nicht stand und waren insgesamt unwirksam. Dies hatte zur Folge, dass der Verein den Wert des Pferdes zu 100 % ersetzen musste.
Unfall auf dem Turniergelände
Im Jahr 2008 musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt mit einem schweren Unfall beim Verladen eines Pferdes auf einem Reitturnier beschäftigen. Nach Ende eines Reitturnieres wollte die Pferdeeigentümerin ihr Pferd verladen. Das Fahrzeug samt Pferdeanhänger war versichert bei einer Haftpflichtversicherung. Die spätere Klägerin des Rechtsstreits wurde von der Pferdeeigentümerin gebeten, beim Verladen des Pferdes zu helfen, nachdem es der Eigentümerin alleine nicht gelang, das Pferd in den Hänger zu bekommen. Nachdem erst die Geschädigte versuchte, das Pferd in den Hänger zu führen, tauschten die Halterin und die später Geschädigte die Rolle. Die Halterin nahm das Pferd am Zügel und versuchte es auf den Hänger zu führen, die Betroffene stand hinten. Zunächst konnte die Halterin das Pferd dazu bewegen, mit dem Vorderteil in den Hänger zu gehen, plötzlich riss sich das Pferd los, drängte nach hinten aus dem Hänger und wandte sich in einer Drehbewegung zum Weglaufen. Dabei trat es nach hinten aus und traf die spätere Klägerin mit einem Huf im Bauchraum. Der Tritt hatte fatale Folgen. Nur wenige Tage nach dem schweren Tritt, der zu einer sofortigen Einweisung in das Krankenhaus geführt hatten, kam es bei der Geschädigten zu einer Leberruptur, in deren Folge ein Herz-Kreislauf-Stillstand eintrat. Die Geschädigte musste durch den Notarzt reanimiert werden, in einer Notoperation wurde die Leberruptur übernäht. In der Folge musste ein Teil der Leber entfernt werden, es kam zu einem Lungenversagen und zu einer künstlichen Beatmung mit einem folgenden Luftröhrenschnitt. Die Klägerin erlitt einen Herz-Kreislauf-Stillstand, der wiederum einen Sauerstoffmangel zur Folge hatte. Im Ergebnis war die Klägerin schwerst geschädigt. Es wurde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % anerkannt, sie konnte nie wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Daraufhin nahm sie die Haftpflichtversicherung des Fahrzeuges und des Zugfahrzeuges in Anspruch, ebenfalls die Pferdehalterin. Das Oberlandesgericht hatte sich zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Haftpflichtversicherung des Fahrzeuges überhaupt in diesem Fall eintrittspflichtig ist, denn unstreitig stand der PKW mit ausgeschaltetem Motor auf dem Turniergelände. Eine Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz setzt nämlich voraus, dass ein Schaden bei dem Betrieb des Fahrzeuges eingetreten ist. Dies umfasst nach Auffassung des Oberlandesgerichts alle Gefahren, die aus der Bestimmung eines Kraftfahrzeuges zur Fortbewegung und zum Transport entstehen. Damit seien nicht nur Gefahren der Bewegung des Kraftfahrzeuges inklusive Hänger gemeint, sondern auch Be- und Entladevorgänge, die im Zusammenhang mit der Funktion des Kraftfahrzeuges stünden. Somit sah das Oberlandesgericht eine Haftung auch der Fahrzeugversicherung grundsätzlich als gegeben an. Die Haftung nach § 7 StVG wurde, da sie auch verschuldensunabhängig nur für die reine Betriebsgefahr des Fahrzeuges ist, dem Grunde nach von der Rechtsprechung bejaht. Zu klären war die Frage, ob die Geschädigte sich ein Mitverschulden anrechnen lassen musste. Im Ergebnis war nämlich streitig, wo sich die Geschädigte nun genau zum Zeitpunkt des Unfalles befunden hatte. Fest stand nur, dass sie sich im räumlichen Gefahrenkreis des Pferdes befand, anderenfalls hätte sie nicht getreten werden können. Das Gericht führte – sachverständig beraten – aus, dass es nur zwei Alternativen für die Geschädigte gegeben habe. Entweder sie wäre schlicht weggelaufen, um sich selber aus dem Gefahrenbereich zu begeben, oder aber sie wäre im Gefahrenbereich verblieben mit der Möglichkeit noch einmal helfend einzugreifen. Das Gericht sah es als schlicht „unanständig“ an, die Halterin des Pferdes in dieser Gefahrensituation alleine zu lassen und einfach wegzulaufen. Gerade der Umstand, dass auch die Geschädigte Reiterin war und somit erfahren im Umfang mit Pferden, ließ es aus Sicht des Gerichts als moralisch geboten erscheinen, sich im näheren Umkreis des Pferdes und damit zwangsläufig im Gefahrenbereich aufzuhalten, um notfalls der Pferdehalterin beistehen zu können. Eine Sorgfaltspflichtverletzung sah das Gericht in dem Verhalten der Geschädigten somit nicht, es führte sogar klar aus, dass hier eine moralische Verpflichtung bestand, im Rahmen der Reiterkameradschaft der Pferdehalterin beizustehen.
Demzufolge hatte die Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeuges und des Pferdeanhängers sowie die Pferdehalterin 100 % des Schadens zu tragen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass die Geschädigte selber nur 75 % des ihr entstandenen Schadens geltend gemacht hatte, da sie offensichtlich selber (fehlerhaft) von einem Mitverschulden ausging. Dies hat das Gericht aber gerade nicht bestätigt.
Rechtsanwältin Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht