(Quarter Horse Journal 04/2016)
Mit Beginn des Frühlings beginnt auch wieder die Turniersaison. Leider geschehen auf dem Turnier auch immer wieder Unfälle. Daher fragt es sich, wer bei einem Unfall auf einem Turnier überhaupt haftet. Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof beschäftigen. Dem lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Ein eingetragener Verein für den Pferde- und Reitsport veranstaltete alljährlich auf der vereinseigenen Anlage ein Reit- und Springturnier. An diesem Turnier nahm eine Reiterin mit dem Pferd ihres Vaters teil. Sie startete in einer Springpferdeprüfung. Den Abschluss des zu meisternden Parcours bildete ein Kombinationshindernis, bestehend aus einem Oxer und einem Steilsprung. Der Parcoursbauer hatte dicht neben den Steilsprung einen fest verschraubten Fangständer gestellt, dessen Aufgabe es sein sollte, wie ein Trichter das Pferd auf das zu überspringende Hindernis hinzuleiten. Der Fangständer war jedoch einige Zentimeter niedriger als die Stange des Hindernisses. Im Parcours versuchte daher das Pferd im letzten Augenblick den Fangständer zu überspringen, kollidierte mit diesem und verletzte sich so schwer am Knie, dass es eingeschläfert werden musste. Der Pferde-Eigentümer nahm nun den Turnierveranstalter in Anspruch und verlangte den Ersatz für das verstorbene Pferd.
Zunächst war zu klären, wer überhaupt haftet. Hier entschied der Bundesgerichtshof klar, dass grundsätzlich der Parcoursbauer als Erfüllungsgehilfe des Reitvereins tätig geworden ist, d.h. die Ansprüche waren nicht gegen den Parcoursbauer selber zu richten, sondern gegen den veranstaltenden Reitverein. Ein Vertragsverhältnis zwischen dem Reiter und dem Verein verneinte der Bundesgerichtshof. Im Ergebnis kam es darauf auch nicht an, da aus Sicht des BGH in jedem Fall ein Schuldverhältnis zwischen Reiter und Verein geschaffen worden war, in dem Rücksichtnahmepflichten bestehen. Es wurde ein Sachverständiger hinzugezogen, der klären musste, ob den Reitverein eine Pflichtverletzung trifft. Dieser Sachverständige hat festgestellt, dass der Verein die ihm obliegende Pflicht zur Bereitstellung gefahrloser und funktionsfähiger Geräte innerhalb des Parcours verletzt hat. Der Sachverständig führte aus, dass der Veranstalter eines Reit- und Springturniers verpflichtet ist, eine geeignete Wettkampfanlage zur Verfügung zu stellen, die keine Gefahren aufweist, die über das übliche Risiko hinaus gehen und mit denen die Turnierteilnehmer nicht zu rechnen brauchten. Dabei sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Diesen Anforderungen entsprach der verwendete Fangständer nicht, da er in seiner konkreten Verwendung nicht den Anforderungen an eine geeignete Wettkampfanlage gerecht wurde und somit für die Turnierteilnehmer nach Auffassung des Sachverständigen ein nicht vorhersehbares Sicherheitsrisiko darstellte. Auch wenn der Eigentümer des Pferdes nicht mit durch ein Schuldverhältnis mit dem Verein verbunden war, so entschied der Bundesgerichtshof jedoch, dass er in das geschaffene Schuldverhältnis zwischen den Reiterin als Turnierteilnehmerin mit dem Verein einbezogen war, sodass er selber Ansprüche gegen den Reitverein geltend machen konnte.
Der veranstaltende Reitverein hatte in der Ausschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er keine Haftung für Schäden – auch wegen nur leichter Fahrlässigkeit – übernimmt. Der Bundesgerichtshof musste also auch klären, ob diese getroffene Begrenzung der Haftung wirksam ist. Das Gericht führte dazu aus, dass es sich hier im Ergebnis um allgemeine Geschäftsbedingungen handle, zumindest müsse diese Regelung anhand der Vorschriften, die für allgemeine Geschäftsbedingungen gelten, geprüft werden. Dieser Prüfung hielt die Klausel nicht stand, sie wurde vom Bundesgerichtshof daher für unwirksam erachtet. Dies hatte zur Folge, dass der Reitverein als Veranstalter dem Pferdeeigentümer den gesamten Schaden ersetzen musste. Der Wert des verunglückten Pferdes war auf 35.000 € geschätzt worden, diese sowie die Kosten des gesamten Verfahrens musste der veranstaltende Reitverein tragen.
Der Fall zeigt deutlich, dass den Reitverein gesteigerten Sorgfaltspflichten gegenüber den Teilnehmern und auch den Pferdeeigentümern treffen. Aktuell hat sich das Landgericht Osnabrück mit einem Fall zu beschäftigen, bei dem ebenfalls ein Pferd auf einem Reitturnier im Ergebnis zu Tode gekommen ist. Auf dem Abreiteplatz befand sich eine große Menge Pferde, geschätzt mindestens 20. Da es sich um einen Abreiteplatz für eine Springprüfung handelte, befanden sich auf dem Platz zusätzlich noch zwei Sprünge, die von den Teilnehmern regelmäßig angeritten wurden. Ein Pferd schlug nach dem Sprung nach dem vorbeigehenden Pferd und traf es so unglücklich, dass es eine unheilbare Fraktur erlitt. Hier muss sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen, ob der Veranstalter Vorkehrmaßnahmen treffen muss, dass nicht zu viele Reiter gleichzeitig auf dem Turnierplatz sind, sodass sie sich quasi nicht mehr ausweichen können. Legt man die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zu Grunde, so spricht sehr viel dafür, hier eine Sorgfaltspflichtverletzung des Veranstalters des Turnieres anzunehmen. Nicht umsonst gehen immer mehr Veranstalter dazu über, die Zahl der auf dem Abreiteplatz zeitgleich befindlichen Pferde zu reduzieren und hier eine Aufsicht einzusetzen, die dies überprüft.
Iris Müller-Klein
Fachanwältin für Medizinrecht, Schwarme